Thun
Barbara Thun
Hürdenlauf (1998)
7 min.

dklm 5 + 1 (1999)
szenische Komposition
für 6 Maulwerker
45 min.

Szene a (2002)
Sprachkomposition für Stimmen, Violine, Triangel und Stimmgabeln auf vier Prosatexte von Konrad Bayer
15 min.

Barbara Thun


Hürdenlauf
UA:Festival CLUSTER. Forum Neue Musik Thüringen, Maschinenhalle E-Werk/ Weimar

In Barbara Thuns Hürdenlauf (1996/97) bleibt die Bühne erleuchtet, aber fast das gesamte Stück hindurch leer. Die Ausführenden beginnen mit Summen und sportiven Aktionen außerhalb des Raumes, so dass sie nur akustisch wahrgenommen werden können, betreten dann von hinten murmelnd den Konzertsaal, setzen sich stumm in die Zuschauerreihen, stellen dem Nachbarn eine banale Frage, bevor sie vor der Bühne eine arbiträre Sprachkomposition über die Silben des Namens des Aufführungsortes aufführen. Das einzige, was auf der Bühne dann stattfindet, sind komponierte Verbeugungen und der abschließende Abtritt. Thun gelingt hier die Auflösung der Konzertsituation.

dklm 5 + 1
nach einem Märchen von Hans Christian Andersen
UA: Kunstschiff Anna, Fischerinsel Berlin (1999)

Szene a
UA: Randspiele Zepernick 2002, weitere Aufführungen: im Rahmen von Dispersionen, Ballhaus Naunynstrasse Berlin 2003 und Festival Jeunesse, im MUMOK Wien 2005

Konrad Bayers Texte „seit ich weiß“, „romanze“, „von nun an“ und „über die liebe“ berichten aus verschiedenen Situationen über die Reflexion des Verhältnisses vom Ich zur Welt. Dieser selbstbezüglichen Grundhaltung entspricht in der Komposition die Rolle des quasi-Erzählers, dessen Sprachduktus wie von den Rhythmen der Umgebung abgeschlossen scheint, ihnen aber gleichzeitig Hintergrund und Bezugsgröße bietet. Mehrstimmige und chorische Teile stehen für die Auffächerung eines Gedankens, für das Auftauchen und Verschwinden einer Vielzahl von gedachten Persönlichkeiten oder Abspaltungen der Selbstwahrnehmung. Die Abschnitte gehen ineinander über oder bilden Klammern, strukturiert von reduzierten Kommentaren der Instrumente; es entsteht ein Ganzes in Form einer liturgischen Szene mit poetischem Beiklang, die die sehr unterschiedlichen Texte unter einen großen Bogen faßt. Die Geige, die großenteils wie ein Banjo gehalten und gespielt wird, ist eine Anspielung auf die musikalischen Aktivitäten Bayers.
Bei der Vertonung verstärkte ich rhythmische und melodische Tendenzen der Texte und verwendete Techniken, die auch Bayer benützte, wie Reduktion, Verschränkung, Assoziation und Vervielfältigung, allerdings (bis auf den letzten Abschnitt, wo ich die literarische Vorlage selbst verfremdete) in rein musikalischer Hinsicht: Text ist dabei musikalisches Material, also Klang. Andererseits war der Erhalt der Verständlichkeit bzw. das Herstellen einer eigenen Verstehbarkeit der Prosa der Leitfaden, um eine literarisch-musikalische Hörszene zu schaffen, die die Texte stützt, ihren Inhalt transportiert, musikalisch kommentiert und atmosphärisch intensiviert.
„szene a“ ist der erste Teil eines Zyklus´ über und mit Texten von Konrad Bayer. Mit Dank an Traudl Bayer und Dominik Steiger, die mir die Verwendung der Texte freundlich gestatteten. (Barbara Thun)