Schnebel NN
Dieter Schnebel
Werke für Stimmen:
Maulwerke (1968-74)
madrasha2 (Version 1989)

Werkzyklen für Stimmen und Gesten/Körper:

Schau-Stücke (1995/97)
Zeichen-Sprache (1987/89)
Laut-Gesten-Laute (1981-89)

für Stimmen und Instrumente:
Glossolalie 61 (1961)
Glossolalie 2000 (szenisch)
Kafka-Dramolette (2008)
Museumsstücke I (1992-93)
Museumsstücke II - MoMA (94-95)
NN (2001)
Flipper (2002/03)
Jowaegerli (1982/83)
Baumzucht (1992-95)

Solo / Duo:

Stumme Schreie (2008)
An-sätze (1985)
Numbers (1992)
Redeübungen (1983-84)
Poem für 1 Springer (1989)
Kafka-Dramolette (2008)
Liebe-Leid (2013-15)

Klavier (solo):

Bagatellen (1986)
Auguri (1988-93)

(1930 - 2018), einer der maßgeblichen deutschen zeitgenössischen Intermedia-Komponisten. Anregende Einflüsse durch die Musik der Wiener Schule, die Schriften Adornos, durch die frühen Kompositionen Nonos und Stockhausens, später durch John Cage. Schwerpunkte seines musikalischen und didaktischen Schaffens: Kompositionen einer Musik aus optischen Elementen (sichtbare Musik): ki-no (als musikalische Schriftbilder dokumentiert in seinem Buch Mo-No); Musik aus Bewegungen der Artikulationsorgane u.a. Maulwerke; Konzeption einer psycho-analytischen Musik. Die Titel seiner umfangreichen musikalischen Zyklen seit 1973: Schulmusik, Re-Visionen (I-II), Tradition, Psycho-Logia, Laut-Gesten-Laute, Zeichen-Sprache, Speromenti. Kompositionen für das Studio Akustische Kunst des WDR: Hörfunk. Radio Stücke I-V, No. Ein HörSpiel, Konzentrationen und Unruhe 273, für John Cage sowie abervielleichtdochgarnichtsosehr. Zahlreiche theoretische Schriften (Denkbare Musik), und Biografien u.a. über Mauricio Kagel. Seit 1972 regelmäßige multimediale Performances und Konzerte mit jungen Musikern und Studenten. Von 1976 bis 1995 Professor an der Hochschule der Künste Berlin. 1977 Gründung des Ensembles Die Maulwerker.
NN – für bewegliche Stimmen und stationäre Instrumente
(11 Stimmen und 3 Perkussionisten)
UA: Donaueschingen 2001

Erstens bewegliche Stimmen, d.h. einmal solche vokalisierend/sprechend, aber auch selbst unterwegs - horizontal: gehend, laufend, robbend etc., vertikal: springend, kletternd, fallend. Die Stimmen erzeugen in solchen Weisen eine singende/sprechende Raummusik, in der die Klänge manchmal weit gestreut, manchmal dicht verknäult erscheinen; zuweilen selbst in Bewegung - sei es in stereophonen Effekten, sei es, dass die Klangträger schleichen, rennen o.ä., somit eine eigene Bewegtheit, eine abstrakte Emotionalität haben. Diese mag ja nach der Art der Laute in drastische Konkretheit umschlagen, zumal die Körperbewegungen oft selbst semantisch wirken.
Zweitens stationäre Instrumente, die sich an festen Plätzen befinden: Schlagzeuge, die ohnehin schwer transportabel sind. Sie bilden für die im Raum dahinfließenden Klänge Wegmarken, formieren aber auch eine Art Korsett, das die Zeit zusammenhält, zumal die rhythmischen Formen des perkussiven Parts ein eng umschriebenes Material variieren. Die Fell-, Holz-, Metall- u.ä. -klänge aber mögen einen vorzeitlichen Touch haben.
Also räumlich bewegte Stimmenklänge, welche die schillernde Vielseitigkeit menschlichen Ausdrucks in Linien horizontal ausziehen: reine (abstrakte) Laute bis konkrete (obszöne), artistische Fantasiesprachen bis Alltagsjargon. Dies wiederum gegliedert vom hämmernden Zeitraster oft archaisch anmutender Klänge. Das mag eine widersprüchliche und absurde Ästhetik erzeugen: einerseits Moderne mit gegenwärtigem Alltag, andererseits vorweltliche Rituale mit dada-Aspekten. Das Stück als Frage: Wo befinden wir uns? (Dieter Schnebel)