Dieter Schnebel: Glossolalie (2000)
Szenische Version 2000 für 8 (Vocal-) Performer mit Instrumenten (Trompete, Violine, Klarinette, E-Gitarre, Harmonium, Blockflöte, Plattenspieler)
aufgeführt im April 2000 in der Akademie der Künste Berlin
und 2001 beim Festival Klang-Aktionen München
Die Maulwerker: Ariane Jeßulat, Henrik Kairies, Christian Kesten, Katarina Rasinski, Barbara Thun, Tilmann Walzer, Steffi Weismann, und Gast: Axel Dörner (trumpet)
Komposition nach der offenen Partitur Schnebels von den Ensemblemitgliedern
Regie: Anna Clementi
Assistenz: Matthias Rebstock
Bühne/Kostüme: Dorothee Scheiffarth
Lichtdesign: Johannes Sundrup

Schnebels Glossolalie (1959) gehört derjenigen Gruppe seiner Stücke an, die bewußt nicht als auskomponiertes Resultat, sondern als detailliertes Konzept für den Interpreten vorliegen oder, mit den Worten Schnebels, "als präpariertes Material zur Hervorbringung von Musik". Für ein Ensemble solistisch agierender Sprecher und Instrumentalisten geschrieben, organisiert Glossolalie eine Vielzahl von Sprachen und Sprachverwandten unter den Gesichtspunkten musikalischer und seman-tischer Parameter. Es finden Verbindungen und Überschichtungen von sprachlichen, lautlichen, geräuschhaften, instrumentalen und gestischen Prozessen statt. Im Gegensatz zu der von Schnebel selbst auskomponierten Fassung Glossolalie 61 kommt die konzeptuelle Glossolalie selten zur Aufführung. Glossolalie 2000 ist eine neue Ausarbeitung der Präparationen von Dieter Schnebel in Form einer Kollektivkomposition durch das Ensemble "Die Maulwerker". Das besondere an dieser Ausarbeitung ist die Einbettung der Gesamtkomposition in eine szenische Umgebung. Vor dem Hintergrund einer Partygesellschaft entrollt sich eine Dramaturgie von Handlungssequenzen, deren unterschiedlicher Konkretheitsgrad in merkwürdiger Spannung steht zu den in der Komposition eingefrorenen oder gerade in Fluss gebrachten Sprachpartikeln. In der Ausstattung von Dorothee Scheiffarth (Bühne/Kostüme/Requisite) setzt die Regisseurin Anna Clementi eine Interpretation der Glossolalie, die die Schwerpunkte des Schnebelschen Konzeptes, nämlich Serialität, Mischung von Unkonventionellem und Konventionellem, Psychologie und Kommunikation, zu einer ausgereiften Fassung bringt, in der Hörbares mit Sichtbarem zu einer musiktheatralen Einheit verschmelzen kann. Die darstellerischen Eigenheiten der Mitglieder des eingespielten Ensembles verhelfen dabei der musikalisierten Szene zu einer spannungsgeladenen Endzeitatmosphäre. (Ariane Jeßulat/Barbara Thun)