maulwerker performing dieter schnebel

Kompositionen für Stimme und Körper von Dieter Schnebel

Kafka-Dramolette (2006-2008) 25 Min.
Blinzeln (aus: Schau-Stücke, 1995-99) 6 Min.
Kopfschütteln (aus: Schau-Stücke, 1995-99) 5 Min.
Maulwerke (1968-74, Version 2010) 33 Min.

Dieter Schnebel gilt als einer der bedeutendsten Komponisten seiner Generation. Zunächst geprägt vom seriellen Denken avancierte er in den 60er Jahren zur Koryphäe experimenteller Musik in Europa. Mit Maulwerke (1968-74) schuf er ein Grundlagenwerk moderner Vokalmusik, mit Körper-Sprache (1980) das Pendant für modernes Musiktheater.
Seinen Ansatz, Gesten und Körperbewegungen als kompositorisches Material zu begreifen und damit zu verfahren wie mit Klangmaterial setzte er in den Zyklen Laut-Gesten-Laute (1981-85), Zeichen-Sprache (1986-90) und Schaustücke (1995-99) fort, indem er die Kompositionen für Körper mit Stimme verbindet und beides in kontrapunktische Beziehungen setzt.
Anlässlich seines 80. Geburtstages im Jahr 2010 würdigten die Maulwerker ihren Lehrer mit einem exklusiven Schnebel-Programm und einer neuen Version der
Maulwerke. Schnebel selbst schrieb dem Ensemble drei neue Stücke auf den Leib, die sich kurzen Erzählungen von Franz Kafka widmen: Der plötzliche Spaziergang, sowie Entschlüsse (beide 1913) und Gib’s auf! (aus dem Nachlass). Schnebel lotet durch die Verbindung von Geste, Sprache und Gesang die Erzählungen aus und schafft drei intensive „Kammer-Musiktheater-Stücke“.

Kafka-Dramolette (für 2 Solisten und kleines Emsemble)
Der plötzliche Spaziergang
Entschlüsse
Gib’s auf!

Schnebels Dramolette vertonen drei kurze Erzählungen Franz Kafkas. Der Komponist löst den Text in gesprochene oder gesungene Fragmente auf, kontrapunktiert dies mit Schritten und Gesten oder Bewegungsabläufen, die er größtenteils den Erzählungen selbst entnimmt, liefert den Text in Abschnitten nach, so dass dem Hörer der Inhalt nicht verloren geht. Die ersten beiden Dramolette sind Soli, das dritte ein Duett (mit kleinem Ensemble-Chor). Schnebel schafft hier musikalische Kammerspiele, die durch ihre neuartige Verbindung von Narrativität und Experiment überzeugen.

Blinzeln (für 6 Darsteller)
Eine Komposition aus Tics: durch eine wie zum Gruppenfoto aufgestellte Gesellschaft wandern kurze, wie unwillkürliche, in exakt notierten Rhythmen regelmäßig wiederkehrende motorische Kontraktionen einzelner Muskeln bzw. Muskelgruppen oder vokale Tics. Gelegentlich wird dies von solistischen Ausbrüchen unterbrochen, die in virtuosen
Polyphonien verschiedener Körperregionen kulminieren.

Kopfschütteln (für 5 Darsteller)
Fünf nebeneinander stehende Performer bewegen nichts als ihre Köpfe – teils bedeutsame, teils absurde bis abstruse Gesten produzierend. Die gleichzeitig aktiven Stimmen setzen dazu eigenwillige Kontrapunkte. Eine zehnstimmige Polyphonie von fünf Köpfen und fünf Stimmen in freien und teilweise strengen Rhythmen.

Maulwerke
(1968-74, Version für 6 Stimmen, 2010)
Die Maulwerke sind eine offene Partitur, die den Interpreten kein fertiges Werk, sondern vokales Material zur Verfügung stellt, deren Teile mit Atemzüge, Kehlkopfspannungen, Gurgelrollen, Mundstücke, Zungenschläge und Lippenspiel betitelt sind. Dies wird in Exerzitien geübt und anhand von Formungsschemata und Verhaltensmustern in Produktions- und Kommunikations-Prozessen zu einem Opus entwickelt und präsentiert.
Die Maulwerker haben in ihrer langjährigen Arbeit inzwischen viele verschiedene Versionen der Maulwerke erarbeitet. Folgten der großen szenischen Version von 1977/78 kammermusikalische Trio-Versionen, alle unter Schnebels Leitung, so komponierte das Ensemble 1995 erstmals kollektiv eine eigene Version. Nach kleineren Trio- oder Quartettversionen entstand 2006 wiederum eine neue Kollektiv-Fassung. 2008/09 wagten die Maulwerker das Experiment, das Material, das sie seit Jahren kennen, auf der Bühne zu improvisieren, oder, wenn man so will, live zu komponieren.
Im Zusammenhang mit der Realisierung der Maulwerke als Film (Regie: Susanne Elgeti) setzte sich das Ensemble 2010 erneut mit der Partitur auseinander. Der von der Kamera begleitete gemeinsame Arbeitsprozess führte zu einer neuen auskomponierten Version für sechs Stimmen, die vom Ensemble nun als aktuelle Konzertversion gespielt wird.